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Berliner Sozialgipfel 2024: Bezahlbares Wohnen ist Daseinsvorsorge

Aktuelles

Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden sowie dem Berliner Mieterverein erklärt die Wohnungsfrage zur zentralen sozialen Herausforderung. Unter dem Motto „Wohnen in Berlin: Bezahlbar und gut für alle?!“ fand der 12. Berliner Sozialgipfel mit großer Teilnahme und öffentlicher Resonanz im Haus des ver.di-Bundesvorstandes statt.

„Drastisch steigenden Wohnkosten in Berlin sind zu einem der drängenden sozialen Probleme für viele Menschen und auch für unsere Mitglieder geworden“ stellte Ursula Engelen-Kefer, SoVD-Landesvorsitzende Berlin-Brandenburg besorgt vor dem Sozialgipfel fest und fordert den Berliner Senat auf, vor allem die inklusive Barrierefreiheit beim Bauen und Wohnen nicht nur für Senior*innen und Menschen mit Behinderungen, sondern auch für Familien und Kinder zu stärken.

Bezahlbarkeit und Barrierefreiheit

Der Berliner Senat schöpft derzeit nicht alle Möglichkeiten aus, um seiner Verantwortung im Bereich des bezahlbaren Wohnens gerecht zu werden, mahnen die Verbände. Wohnungen gehören zur Daseinsvorsorge und sind kein Luxusgut. Das Land muss seine Steuerungsmöglichkeiten besser nutzen und Bestand und Neubau an sozialen Kriterien ausrichten. Dazu gehören ein Wohnungskataster für die Erfassung der Barrierefreiheit, eine Quote für Sozialwohnungen in der Vermietung des privaten Wohnungsbestandes, bei Wohnungsunternehmen ab einer bestimmten Größe, die Einbeziehung von Sozialverbänden, Mietervereinen und Gewerkschaften bei der Neugestaltung der Kooperation mit den Landeswohnungsunternehmen, die Umsetzung der Wohngemeinnützigkeit und der Barrierefreiheit, sowie die starke Förderung des sozialen Neubaus.

Gemeinsam mit dem Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Christian Gaebler, sowie der Landesbeauftragten fürMenschen mit Behinderung, Christine Braunert-Rümenapf und zahlreichen interessierten Bürger*innen und Fachleuten wurde über die Fragen diskutiert, wie neuer und bestehender Wohnraum bezahlbar und bedarfsgerecht gestaltet werden kann.

Nicht nur der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, sondern auch die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen erfordern ein stärkeres Engagement der Politik für einen sozial gerechteren Wohnungsmarkt. Die Klimakrise verlangt die umfassende energetische Modernisierung des Berliner Wohnungsbestandes, ein Prozess, der sozial verträglich gestaltet werden muss, ohne die Mietpreisspirale in unserer Stadt noch weiter anzuheizen und die Kosten allein auf die Mietenden abzuwälzen. Zugleich wächst der Bedarf an barrierefreiem Wohnraum, der Senior*innen und Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Die Wohnungsunternehmen müssen hier stärker in die Pflicht genommen werden. Barrierefreiheit ist weit mehr als ein Anliegen für ältere Menschen oder Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen, sie ist ebenso eine wichtige Voraussetzung für Familien und Alleinerziehende mit Kindern.

Die Landesbehindertenbeauftragte Christine Braunert-Rümenapf, vertritt die Interessen der Menschen mit Behinderungen in Berlin bereits seit 2017 und setzt sich besonders für die Barrierefreiheit beim Bauen und Wohnen ein. Dazu hat sie immer wieder verschiedene Untersuchungen hervorgehoben, die deutlich machen, dass die Berücksichtigung der Barrierefreiheit beim Bauen von Anfang an kaum zusätzliche Kosten verursacht.

Mietbelastung und Wohnraummangel

Fast zwei Drittel der Berliner Miethaushalte (61,2 Prozent) haben ein Einkommen, das sie für geförderte Wohnungen berechtigt, dennoch fehlen ausreichend Angebote. Die Angebotsmieten sind nur noch für das obere Drittel leistbar. Die Ausweitung des bezahlbaren und sozialen Wohnungsangebots durch Neubau ist dringend geboten, die Auswirkungen auf das Wohnungsangebot werden jedoch begrenzt sein. Der größere Hebel ist, leistbare Mieten im Bestand zu sichern. Dafür muss Berlin die Mietpreisbremse verlängern, zunächst durch die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung bis Ende 2025. Darüber hinaus fordern wir die durch den Senat angekündigte Bundesratsinitiative, um die Mietpreisbremse im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) für fünf weitere Jahre zu verlängern. Außerdem muss Berlin wieder seine landeseigenen Wohnungsunternehmen nutzen, um den Preisanstieg zu dämpfen und den gemeinwohlorientierten preiswerten Bestand auszuweiten. Vor allem aber muss das Land Berlin das Wohnungswesen auf Landesebene regeln und auch den privaten Wohnungssektor in die Versorgungsaufgabe mithilfe eines Wohnraumsicherungsgesetzes einbeziehen.

Die einzelnen Verbände des Sozialgipfelbündnisses erklären:

Ulrike Hamann-Onnertz, Berliner Mieterverein: „Die landeseigenen Wohnungsunternehmen müssen mindestens 75 Prozent ihrer Wohnungen an WBS-Berechtigte vermieten. Mieterhöhungen sollten auf zwei Prozent pro Jahr begrenzt werden, und Modernisierungen müssen warmmietenneutral erfolgen.“

Katja Karger, DGB Berlin-Brandenburg: „Wir brauchen die Fortsetzung der Mietpreisbremse, damit unsere mühsam erkämpften Lohnerhöhungen nicht umgehend von den Mieten aufgefressen werden. Zudem wäre enorm wichtig, dass der Senat den Bau von Werkswohnungen durch die Berliner Wirtschaft unterstützt. Nicht zuletzt muss die soziale Wohnraumförderung auf 8.000–10.000 Wohnungen jährlich ausgeweitet werden.“

Susanne Feldkötter, ver.di Berlin-Brandenburg: „Der Senat muss den Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen umsetzen, damit mehr Wohnungen gemeinnützig bewirtschaftet werden. Wohnraum ist Grundversorgung, keine Ware.“

Susanne Buss, Volkssolidarität Berlin: „Die öffentliche Refinanzierung von Investitionskosten muss die realen Kosten sozialer Neubauten decken. Bürokratische Hürden verhindern oft den Bau dringend benötigter Wohnangebote.“

Ülker Radziwill, AWO Berlin: „Die Wiederbelebung der Wohngemeinnützigkeit braucht Steuererleichterungen und gezielte Investitionszuschüsse, um bezahlbaren Wohnraum nachhaltig zu sichern.“

Henrike Weber, VdK: „Barrierefreiheit im Wohnungswesen ist als Bestandteil von Artikel 9 der UN-BRK ein Menschenrecht, deren Umsetzung ist damit staatliche Verpflichtung.“

Ursula Engelen-Kefer, SoVD: „Barrierefreiheit gehört in die Planung und Genehmigung von Bauvorhaben. Dafür braucht es eine Ausbildungsoffensive für Architekt*innen und eine gesetzliche Pflicht zu ihrer Einbeziehung sowie ein Kataster für barrierefreien Wohnraum. Rückbaupflichten für barrierefreie Einbauten auf Kosten der Mieter sind abzuschaffen.“

David Driese, Humanistischer Verband Berlin-Brandenburg: „Wohnraum darf kein Luxusgut sein. Wenn Wohnungen nur noch als „Bückware“ erhältlich sind, gewinnen sicher nicht jene, die den Wohnraum am nötigsten brauchen. Es braucht klare Maßnahmen zur gerechten Wohnraumverteilung, um soziale Ungleichheit zu verringern.“

Die Berliner Landesregierung muss beherzt vorgehen, um die großen sozialen Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt zu bearbeiten. Die Verlängerung der Mietpreisbremse und ein Wohnraumsicherungsgesetz sind erste Schritte, die unmittelbar und auf Landesebene umgesetzt werden können. Der Sozialgipfel wird die angekündigten Maßnahmen der Politik konsequent einfordern.

Foto: Copyright Christian Muhrbeck.