Als SoVD-Landesverband Berlin-Brandenburg haben wir eine öffentlichkeitswirksame Begehung bzw. Berollung der Zugangsbarrieren zum Breitscheidplatz vorgenommen. Beteiligt waren Jürgen Friedrich, Beauftragter für Menschen mit Behinderung im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, sowie als Vertreter*innen des SoVD die Vorsitzenden im zuständigen Kreis- und Ortsverband und SoVD-Vertreter*innen der Behindertenbeiräte der Bezirke.
Anlass für diese Aktion war die persönliche Betroffenheit der „Rollstuhlaktivistin“ Ursula Lehmann. Sie ist am 11.04.2020 beim Versuch, mit ihrem Elektrorollstuhl den Breitscheidplatz zu überqueren, an den Pollern steckengeblieben und konnte erst nach einer Stunde durch die Feuerwehr befreit werden. Ihre Anträge an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport zur Übernahme der Reparaturkosten von 2.260 Euro wurden nach längerem Hin- und Herschieben abgelehnt. Frau Lehmann musste als von Geburt an Behinderte und jetzt im Alter von fast 80 Jahren mehrere Wochen ohne ihren Elektrorollstuhl auskommen. Sie war in dieser Zeit in ihrer Mobilität noch stärker eingeschränkt. Letztendlich hat sie die Reparaturkosten selbst übernommen, um überhaupt wieder bewegungsfähig zu sein.
Wir unterstützen Frau Lehmann als SoVD-Landesverband in ihrer Forderung nach Erstattung der Reparaturkosten durch den Senat
In unserer SoVD-Aktion am Breitscheidplatz ging es um die dringende Aufforderung an den Senat, die Barrierefreiheit auch im Rahmen der Vorkehrungen zur Terrorabwehr herzustellen bzw. zu berücksichtigen. Das derzeitige nicht barrierefreie Zugangssystem über Rampen und Poller gilt als „temporäre“ Lösung, die von einer dauerhaften Installation mit Barrierefreiheit so schnell wie möglich abgelöst werden muss. Dies wäre dann auch ein positives Beispiel für andere bereits vorhandene bzw. noch zu errichtende Zugangsbarrieren in Berlin.
Dabei verkennen wir als SoVD keineswegs, dass immer ein Kompromiss zwischen Terrorsicherung und Barrierefreiheit gefunden werden muss.
Dies ist am besten zu gewährleisten, wenn bereits bei der Konzipierung derartiger Sicherheitsmaßnahmen sowohl Expert*innen für Barrierefreiheit als auch betroffene Menschen mit Behinderung über ihre Verbände hinzugezogen werden. Der Berliner Senat unterhält eine Fülle externer Arbeitsgruppen „zur Findung von sachgerechten Lösungen für die vielfältigen Problemlagen in allen Lebensbereichen von Menschen mit Behinderung zur Erfüllung der Verpflichtung aus Artikel 4 Absatz 3 der UN- Behindertenrechtskonvention.“ Dort sind Mitglieder des Landesbeirats für Menschen mit Behinderung, die*der Landesbeauftragte sowie die bezirklichen Gremien für Menschen mit Behinderungen vertreten.
Bei unserer Begehung/Berollung mit den betroffenen Rollstuhlfahrer*innen mussten wir nun feststellen, dass die Zugangsbarrieren nur unter Gefährdungen zu überwinden sind. Den Menschen, die wegen ihrer Behinderung auf einen Rollstuhl angewiesen sind und zusätzlich noch weitere Einschränkungen haben, ist ein derartig schwieriges Manövrieren ihres Rollstuhls nicht möglich. Im Übrigen birgt das unmittelbare Angrenzen an die stark befahrenen Autostraßen an beiden Seiten des Breitscheidplatzes nicht nur erhebliche Gefahren für Rollstuhlfahrer*innen, sondern ebenso für alle mobilitäteingeschränkten Menschen – insbesondere auch für Familien mit Kinderwagen oder Kleinkindern.
Eine mögliche Umfahrung über Zugängen ohne Rampen- und Poller-Barrieren ist infolge der Weitläufigkeit des Platzes nicht zumutbar und zudem häufig durch andere Hindernisse, wie z. B. parkende Pkw oder abgestellte Müllcontainer blockiert.
Als SoVD-Landesvorsitzende habe ich den Regierenden Bürgermeister Michael Müller erneut angeschrieben und ihn ersucht, dafür zu sorgen, dass diese temporären Zugangssysteme zum Breitscheidplatz schnellstmöglich durch einen barrierefreien Zugangsschutz zur Terrorsicherung ersetzt werden. Im Interesse der betroffenen Menschen mit Behinderung müsste dies bis zur Eröffnung des traditionellen Weihnachtsmarktes auf dem Breitscheidplatz Ende November erfolgen.
Ursula Engelen-Kefer,
Landesvorsitzende