Studiert hat sie nicht nur in den USA und Schweden, sondern auch in Trier und spricht neben Deutsch auch Englisch und Französisch als Fremdsprachen. Für ihr Engagement wurde sie 2018 mit der Deutsch-Taiwanesischen Freundschaftsmedaille des Deutschen Instituts in Taipei, der inoffiziellen diplomatischen Vertretung der Bundesrepublik in Taiwan, geehrt.
Mit Deutschland verbindet sie besonders das Interesse an den vielfältigen sozialen Bewegungen, dem zivilgesellschaftlichen Engagement und der Frage, welche sozialen Kräfte kreative gesamtgesellschaftliche Innovationen und Veränderungen bewirken und anstoßen können.
Dabei interessiert sie sich besonders für die Politik für Senior*innen sowie die Themen Leben und Wohnen im Alter und gemeinschaftliche und inklusive Formen des Zusammenlebens. Im Rahmen ihrer aktuellen Deutschland Tour forschte sie mehrere Monate zu Einsamkeit und Ehrenamt in Berlin und vertiefte die Vernetzung mit sozialen Akteur*innen vor Ort.
Nach dem Besuch bei der AG-Ehrenamt wollte Dr. Yu-Juin Wang mehr über die Geschichte und die Aktivitäten des Sozialverband Deutschland auf Landesebene und die Arbeit des Ehrenamtsbüros erfahren und kam am nächsten Tag zu einem weiteren Austausch vorbei. Um später mit Studierenden das interessante Gespräch mit Ehrenamtsmanagerin Heike Roß-Ritterbusch in Taiwan anzuhören und über die erörterten Themen diskutieren zu können, zeichnete Dr. Yu-Juin Wang das Gespräch mit ihrer Kamera auf.
Dabei wollte sie vor allem mehr über die Praxis wissen. Also darüber, wie sich zukunftsweisende soziale Innovationen aus der Erfahrung des SoVD heraus ganz konkret umsetzen lassen. Die Frage der persönlichen Motivation, oder vielleicht sogar die Auslöser dafür, warum der SoVD und seine aktiven Mitglieder sich für Ältere und Menschen mit Beeinträchtigungen einsetzt, um für bessere Lebensbedingungen dieser Menschen zu kämpfen, beschäftigte Dr. Yu-Juin Wang besonders.
Die Erklärung für ihr Interesse gab sie in einem kurzen Exkurs in die wechselvolle Geschichte Taiwans, in der zunächst die Vorherrschaft Japans und die seit 1945 die Chinas, eine prägende Rolle spielten. Sie erzählte von ihrem Vater, der in der Zeit des sogenannten „Weißen Terrors“ als Intellektueller 10 Jahre inhaftiert war. Weder sie, ihre Schwester, noch ihre Mutter oder andere Familienangehörige wussten von seiner Geschichte. Darüber sprechen konnte er erst über 30 Jahre später.
Seitdem sie von seiner leidvollen Erfahrung im Gefängnis und den Folgen für sein Leben weiß, beschäftigte sie sich mit der Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels taiwanesischer Geschichte auf einer ganz persönlichen Ebene. Sie fand das alte Haus seiner Familie, gründete die Initiative „NN 15 Revival“ zum Wiederaufbau des Hauses sowie zur Aufarbeitung und wandelte das Haus in eine Gedenkstätte um.
Diese Erfahrung, dass Kriegserlebnisse und persönlich erlebte Repressionen innerhalb von Familien als Tabu bzw. Familiengeheimnisse unausgesprochen über Jahrzehnte mitschwelen, ist auch aus unserer deutschen Vergangenheit, der Aufarbeitung des Nationalsozialismus aus Täter- und Opferperspektive und aus den Kriegen der Gegenwart ein bekanntes und folgenschweres Phänomen.
Der Austausch mit Dr. Yu-Juin (June) Wang war sehr intensiv und anregend im positiven Sinn. Ihr Interesse an den Menschen und den vielen kleinen Dingen hinter den großen politischen Themen schaffte eine Verbindung, die wir auch in Zukunft weiter pflegen werden.
Information: Unter den zehn liberalsten Demokratien der Welt (siehe) ist Taiwan laut Democracy Index 2023 eine davon bzw. das einzige Land außerhalb des westlichen Kulturkreises. Taiwan ist dabei auch das einzige Land, das erst vor 30 Jahren eine 40 Jahre währende Diktatur abgeworfen hat, und das vollkommen friedlich. Die Menschen in Taiwan haben jahrzehntelang für Freiheit und Demokratie gekämpft und sich ihre Rechte erstritten.
Exkurs: Die Phase des Weissen Terrors 1949 bis Anfang der 1990er JahreDer Weiße Terror in Taiwan bezieht sich auf die Zeit der autoritären Herrschaft und politischen Unterdrückung von 1949 bis zum Beginn der 1990er Jahre, die mit der Verhängung des Kriegsrechts durch die von Chiang Kai-shek geführte Kuomintang-Regierung (KMT) am 19. Mai 1949 begann. Während des Weißen Terrors wurden Tausende von Menschen durch das Geheimagenten-System der KMT, das Taiwan Garrison Command, gefangen genommen, gefoltert, inhaftiert und ermordet.
Bericht von Heike Roß-Ritterbusch über den internationalen Besuch anläßlich der AG-Ehrenamt. Der nächste Termin ist der 28. April um 16 Uhr zum monatlichen Austausch in der SoVD-Landesgeschäftsstelle, Kurfürstenstr. 131, 10785 Berlin. Im Erdgeschoss, Sitzungsraum. Barrierefreier Eingang Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße 12. Bitte eine Woche vorher anmelden unter: 0160 92824599 (mit Anrufbeantworter) oder per E-Mail an ehrenamt(at)sovd-bbg.de.